23/2018

Hoffnung auf Mittelaufwuchs und Dialog

DOSB-Bewertung des Sports im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung 

Nach dem monatelangen Ringen um eine Regierung begrüßt der DOSB das Ende des politischen Zwischenstadiums und bietet als größte zivilgesellschaftliche Gemeinschaft unseres Landes mit seinen mehr als 27 Millionen Mitgliedschaften in Sportvereinen der neuen Bundesregierung auf allen Politikfeldern die aktive Zusammenarbeit an.

Anknüpfungspunkte hierfür bieten die Ausführungen im Koalitionsvertrag vom 9. Februar 2018 und die in vielen Themen von Leistungssport über Sport und Gesundheit, Bildung, Umwelt bis zur integrations-, inklusions- und gleichstellungspolitischen Arbeit bisherige bewährte und vertrauensvolle Zusammenarbeit, die der DOSB und seine 101 Mitgliedsorganisationen fortführen wollen.

„Es ist ein gutes Signal, dass wir nun mit der neuen Bundesregierung wieder einen Partner haben, mit dem wir gemeinsam auf Grundlage unserer bundespolitischen Positionen sowie der im Koalitionsvertrag dargelegten Anknüpfungspunkte Sportdeutschland zukunftsorientiert und verantwortungsbewusst gestalten können. Insbesondere begrüßen wir die Bereitschaft, die notwendige Umsetzung der Leistungssportreform in Zukunft mit erheblich mehr Mitteln zu unterstützen. Insgesamt erhoffen wir uns darüber hinaus einen intensiven Dialog mit dem organisierten Sport über gesellschaftspolitisch relevante Aufgaben, die unserer Ansicht nach weit über die Zeilen des Koalitionsvertrags hinausgehen“, sagte DOSB-Präsident Alfons Hörmann nach der DOSB-Präsidiumssitzung in Potsdam.

Dass der Bund neben der Förderung des Spitzen- und Leistungssports im Koalitionsvertrag zunächst die gesellschaftliche Kraft des Sports in allen Bereichen, also auch im Breitensport und in der Kinder- und Jugendarbeit mit seinen vielfältigen Beiträgen zum Gelingen des Gemeinwesens, herausstellt, ist eine Anerkennung der gesellschaftlichen Realität und eine Würdigung der vielfältigen Leistungen des organisierten Sports. Dies deckt sich mit der vom DOSB seit Jahren geforderten Aufnahme des Sports in den Staatszielekanon des Grundgesetzes. (Der zentrale „Sportabschnitt“ im Vertrag findet sich ab Zeile 6416.)

Der DOSB begrüßt, dass die Bundesregierung klare Aussagen zur Leistungssportreform trifft, die es nun gilt, zügig in die Tat umzusetzen. Nach unserem Verständnis ist die Zusage, „mehr Mittel für den Leistungssport“ aufzuwenden, gleichbedeutend mit einem substanziellen und nachhaltigen Mittelaufwuchs, wie dies über Jahre hinweg im Rahmen des gemeinsam entwickelten, neuen Leistungssport-Konzeptes als Grundlage vereinbart worden ist. Die in diesem Kontext angebotene Zusammenarbeit sehen wir als richtungsweisenden Schritt. Selbiges gilt auch für die gemeinsame Entwicklung einer „langfristigen Strategie für Sportgroßveranstaltungen“. Nur mit einer Bündelung aller Kräfte ist die notwendige Unterstützung für ein erfolgreiches Gelingen solcher Projekte erreichbar. Dies gilt insbesondere für Bewerbungen um Olympische Spiele und Paralympics.

Elementar für die Umsetzung der Leistungssportreform und einen starken Leistungssport in Deutschland ist ebenfalls die Ankündigung, Sportstätten für den Spitzensport sanieren zu wollen und dabei auch bei den Betriebskosten Unterstützung zu leisten. Darüber hinaus will sich die Bundesregierung für eine „moderne und bedarfsgerechte Sportstätteninfrastruktur“ einsetzen. Dies hatte der organisierte Sport im Kontext der Koalitionsverhandlungen stets konkreter und im Stile der Ankündigungen von CDU/CSU und SPD in Form eines massiven Förderprogramms für die sanierungsbedürftige Sportstätteninfrastruktur der Bundesrepublik Deutschland gefordert. Hier fehlten offenbar der Mut und die Konsequenz, den zumindest regional existierenden Sanierungsstau anzuerkennen und ein Bundesprogramm zur Förderung der Sportinfrastruktur (einschl. Schwimmbäder) aufzulegen. 

Der Anti-Doping-Kampf, die Eindämmung und im besten Fall Prävention von Gewalt im Zusammenhang mit Sportveranstaltungen sowie die Förderung der Integrität des Sports und der Sportorganisationen sind im ureigenen Interesse des Sports. Die Fortsetzung der bewährten Arbeitsteilung zwischen Sport und Politik – unter Wahrung der Autonomie des Sports – ist der einzige Weg, der zur Erreichung der Ziele führen kann. In jeder Hinsicht unterstützenswert ist auch den Ansatz, bei allen Bewerbungen um Sportgroßereignisse stets auch die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderung mitzudenken.

Darüber hinaus gibt es Textpassagen, die direkt und auch indirekt Pläne und Maßnahmen ankündigen, die sich auf den Sport und die Aktivitäten in den rund 87.000 Sportvereinen in Deutschland auswirken. So hoffen wir, dass das angekündigte Bildungsprogramm „2 Milliarden Euro für Ausbau Ganztagsschul- und Betreuungsangebote“ (Zeile 332 ff) über die Effekte für die Schulsportstätten auch im Sport und in den Vereinen ankommt.

Forderungen aus der Mitte der Gesellschaft und auch aus dem Sport werden im Kontext „bürgerschaftliches Engagement und Ehrenamt“ (Zeile 579 ff) zusammengefasst und detailliert (ab Zeile 5556) als Aufgabe der Regierung formuliert. Auch hier wird die Umsetzung in konkrete Maßnahmen in der Tradition von „Hilfen für Helfer“ darüber entscheiden, ob aus Ankündigungen auch Taten folgen. Die Erkenntnisse aus den einschlägigen Untersuchungen zum ehrenamtlichen Engagement und die Praxis in den Vereinen spricht dafür, dass die Stärkung des Ehrenamts und des freiwilligen Engagements vor allem auch junger Menschen wichtiger als je zuvor ist, um die Leistungsstärke der zivilgesellschaftlichen Akteure auf dem bekannt hohen Niveau zu erhalten. Deshalb erhoffen wir uns neben den wertvollen Worten der Anerkennung auch die notwendige Form der aktiven Unterstützung der ehrenamtlich Engagierten. Eine echte Entlastung und notwendige Entbürokratisierungsmaßnahmen können nur gemeinsam mit den gemeinnützigen Akteuren der Zivilgesellschaft entwickelt und umgesetzt werden.

Dem populären Zeitgeist scheint auch ein Absatz im Bereich digitale Agenda geschuldet.

Wir erkennen die wachsende Bedeutung der E-Sport-Landschaft in Deutschland an. Da E-Sport wichtige Fähigkeiten schult, die nicht nur in der digitalen Welt von Bedeutung sind, Training und Sportstrukturen erfordern, werden wir E-Sport künftig vollständig als eigene Sportart mit Vereins- und Verbandsrecht anerkennen und bei der Schaffung einer olympischen Perspektive unterstützen.

Dies kann man als klaren Angriff der Fachpolitiker im Bereich Digitales, ohne die Sportpolitiker oder gar den DOSB als Dachorganisation des organisierten Sports in Deutschland zu beteiligen, auf die Autonomie des Sports verstehen. Dabei wäre gerade auf diesem Gebiet die Dialogbereitschaft inklusive eines ergebnisoffenen Arbeitsprozesses, den sich der DOSB für die kommenden Monate auferlegt hat, von besonderer Bedeutung. Einseitige Eingriffe und Vorgaben der Politik werden zu keinen konkreten Maßnahmen im Bereich des organisierten Sports führen.

Insgesamt bietet der „Koalitionsvertrag“ dem DOSB und dem organisierten Sport eine gute Orientierung im Umgang mit dem vierten Kabinett der Kanzlerin Angela Merkel. Wenig überraschend ist die Tatsache, dass es damit keine Revolution, sondern allenfalls eine Evolution geben wird. In den kommenden Monaten wird es nun darauf ankommen, die für den Sport hilfreichen Ansätze des Arbeitsprogramms der Regierung bis 2021 zu unterstützen, die fruchtbare Zusammenarbeit in vielen Bereichen der Bundespolitik weiter auszubauen und die Dialogbereitschaft beidseitig weiter zu intensivieren.